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Südkorea: Neonnächte, stille Tempel und ein Zug, der immer pünktlich ist

  • Writer: samkobernat
    samkobernat
  • Oct 8
  • 5 min read


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Ich landete in Seoul zur Abenddämmerung, als der Han-Fluss zu Glas wird und die Stadt wie eine Leiterplatte aufleuchtet. Meine erste Regel für Südkorea war einfach: mit dem Rhythmus gehen, nicht dagegen. Also nächtliche Spaziergänge unter LED-Himmel, frühe Morgen, an denen Dampf aus Garküchen aufstieg, und schnelle Züge, die ihr Versprechen halten.


Seoul: Wo die Zukunft summt und die Vergangenheit flüstert

Beginne auf dem Gwangjang-Markt. Bestelle bindaetteok, das im Öl zischt, eine Rolle mayak gimbap, und lass Essig und Sesam dich wecken. Notfalls im Stehen essen. Die besten Fotos entstehen, wenn der Dampf steigt und der Verkäufer lächelt. Frag vor dem Fotografieren und zeig danach das Bild. Beim zweiten Mal sind die Lächeln noch besser.

Steig hinauf ins Hanok-Dorf Bukchon, bevor die Busse kommen. Tritt leise. Hier wohnen Menschen. Die Ziegeldächer zeigen wie Kompassnadeln zum Namsan. Wenn du filmst, halte den Shutter ruhig und lass Schritte dein Soundtrack sein.


Wenn der Nachmittag drückt, tauch in die U-Bahn ab und gleite in die Gassen von Ikseon-dong oder die Teehäuser von Seochon. Ich stellte meine Kamera auf den Tisch, sah das Licht durch Hanji-Papier fallen und verstand, wie Stille eine Szene tragen kann. Zum Sonnenuntergang am Cheonggyecheon spazieren. Stadtlärm wird zu Wasser und Schuhen auf Stein. Die Blaue Stunde ist hier gütig.


Die Nacht gehört Hongdae und den Neonfluren von Myeongdong. Straßentänzer zählen die Beats mit ihren Sneakern. Hautpflege-Shops leuchten wie Aquarien. Für Skyline-Blicke: Eungbongsan oder die Aussicht des Lotte Tower. Stative sind mit Geduld und einem freundlichen Wort an die Security erlaubt.


Tipps:

  • T-money-Karte für Bus und Bahn. An jeder Station aufladbar.

  • Google Maps schwächelt beim Gehen. Naver Map oder KakaoMap sparen Zeit.

  • Cafés sind Zuflucht. Ein Getränk kauft dir eine Stunde Strom und Ruhe zum Editieren.


Tempel und Tee: Atem holen

Mit dem frühen KTX nach Busan, dann Regionalzug in die Hügel. Beomeosa liegt in einem Wald, der nach Kiefer und Ruhe riecht. Ich machte ein Tempel-Stay, tauschte Handy-Pings gegen ein Holz-Kissen und lernte den Takt eines Tages, der um Glocken gebaut ist. Sonne strich über Ziegeldächer, und ein Mönch richtete eine Laternenleine mit der Sorgfalt eines Gaffers am Flag. Wenn du Ton aufnimmst, tu es hier. Bambuswind merkt sich alles.


Nähe Seoul schenkt dir Bongeunsa einen stillen Morgen, wenn die Zeit knapp ist. Verbeuge dich ein-, zweimal, dann darf dich die Stadt wieder haben.


Tempel-Etikette: Schultern bedeckt, Schuhe aus, wo verlangt, leise Stimmen. Gebet nur mit Erlaubnis filmen.



Busan: Salz in der Luft und Feuer auf dem Grill

Busan schlägt anders. Der Fischmarkt Jagalchi wacht vor dir auf. Oktopus kringelt sich in Schalen, Ajummas lachen wie alte Freunde, Messer blitzen im Licht. Bestell hoe mit Gochujang, wickel es in Perillablatt, schmecke den Hafen in einem Biss. Für Farbe: Gamcheon Culture Village nach Sonnenaufgang. Häuser stapeln sich wie Bauklötze, aber in diesen Farben wohnen Familien. Türen von der Straße aus fotografieren, nicht durch Fensterscheiben.


Haeundae Beach ist morgens am besten, wenn Läufer einfache Linien in den Sand ziehen. Nachts steht die Skyline wie Bühnenbild über der Brandung. Nimm den Blue Line Park-Küstenzug und filme aus den offenen Wagen. Halte drei Sekunden länger als gedacht. Der Schnitt dankt es dir.



Gyeongju: Zeit in Stein und Mondlicht

Ein Bus ins Landesinnere bringt dich nach Gyeongju, wo Grabhügel wie schlafende Wale steigen und Pavillons auf stillem Wasser schweben. Am Anapji-Teich wirken die Reflektionen nachts unwirklich. Stativ nutzen, auf die Lichter an den Traufen belichten, zwischen den Aufnahmen atmen. Bulguksa am Morgen ist Steinpoesie. Achte auf Hände, die über Balustraden streichen. Das sind deine Cutaways.



Jeju-Insel: Lava, Wind und grüne Mandarinen

Jeju riecht nach Zitrus und Gischt. Miet ein kleines Auto und umrunde die Insel im Uhrzeigersinn. Steig für den Sonnenaufgang auf den Seongsan Ilchulbong, wenn deine Beine es erlauben. Der Weg ist steil, aber freundlich. Am anderen Ufer faltet dich die Manjanggul-Lavaröhre in die Erde. Eine Stirnlampe auf niedriger Stufe gibt schönes Abfallen des Lichts für Texturen.


Finde nachmittags eine Schwarzsandbucht und lass den Wind deinen Plan bestimmen. Jeju zwingt dich, Wetter als Co-Autor zu akzeptieren. Iss heuk-dwaeji, das schwarze Insel-Schwein, über Holzkohle gegrillt, bis die Ränder knacken. Dazu Hallabong-Saft – dann weißt du, warum Einfachheit gewinnt.



DMZ-Tag: Auch Ränder erzählen

Wenn Geschichte zu deiner Reise gehört, buche eine offizielle DMZ-Tour. Am Dora-Observatorium spürst du, wie laut Stille sein kann. Mit der Kamera keine großen Gesten. Ein langsamer Schwenk, ein gerader Horizont – respektvoll.



Cafés, Filmlabs und späte Nächte

Südkorea läuft mit Kaffee. Specialty-Cafés verstecken sich in oberen Stockwerken mit Blick und Ruhe. Viele schließen spät. Ich fand ein Filmlabor nahe Yeonnam-dong, das in einer Stunde entwickelte und Scans aushändigte, die wie Abendluft aussahen. Digital? Mikrofasertuch für Gischt und Staub. Handy? Belichtung und Fokus fixieren. So hört dein Footage auf zu hecheln.



Essen als Reiseroute

  • Frühstück: Kimbap to go oder juk, das Jetlag von innen heilt.

  • Mittag: Kimchi jjigae in einem Laden mit beschlagenen Fenstern. Reis. Immer Reis.

  • Abend: Korean BBQ mit Freund oder Fremdem, der einer wird. Schau, wie das Team schneidet. Lerne, dann probiere.

  • Süßes: Bungeoppang im Winter, Patbingsu im Sommer, Injeolmi-Toast, wenn du überrascht werden willst.


Bitte um Wasser mit „mul juseyo“. Sag „jal meokgetseumnida“ vor dem Essen und bedanke dich beim Koch beim Gehen. Man merkt sich dich.



Unterwegs ohne Zeit zu verlieren

KTX ist deine Wirbelsäule. Seoul–Busan in rund zweieinhalb Stunden. Fensterplatz reservieren für „Edit-Denkzeit“ und rollende Landschaften. U-Bahnen in den Städten sind verlässlich. Busse schließen Lücken. Taxis reichlich, Tap-to-Pay klappt, ein in KakaoMap gesetzter Pin hilft Fahrern mehr als eine lange Erklärung.



Drehen und Erzählen

  • Plane den Tag ums Licht. Han-Parks bei Sonnenaufgang, Märkte am Vormittag, Innenräume mittags, Dächer und Flüsse zur Goldenen Stunde, Neon nach dem Essen.

  • Highlights schützen. Koreanische Nächte sind hell. Auf Schilder und Haut belichten.

  • Atmo überall aufnehmen. Ampelmelodien, Essstäbchen, Tempelglocken, Metro-Türen. Das baut Erinnerung im Schnitt wieder auf.

  • Mit Menschen führen. Verkäufer, der Kimbap schließt; Studentin, die im Museum skizziert; Fischer, der Leine aufwickelt. Orte rahmen Menschen, nicht umgekehrt.

  • Shots halten. Drei Zählzeiten hinein, drei hinaus. Die Geschichte atmet, wenn du es tust.


Etikette, die Türen öffnet

Schuhe aus, wo alle es tun. Leise in Zügen. Älteren Platz anbieten. Kinder nicht ohne Nicken der Eltern filmen. „Annyeonghaseyo“ und „gamsahamnida“ tragen weiter, als du denkst.



Ein Tag, den ich behalte

In meiner letzten Nacht lief ich von Dongdaemun zum Fluss. Skater zogen silberne Linien unter Brückenlichtern. Ein Paar teilte Tteokbokki auf den Stufen und lachte über die Schärfe. Irgendwo flussauf spielte ein Saxofon eine Melodie und versuchte sie dann noch einmal. Ich legte die Kamera ab und ließ die Stadt spielen. Als ich schließlich auf Aufnahme drückte, hielt der Frame genau das, was ich seit Tag eins fühlte: Präzision und Wärme im selben Atemzug.



Wenn du gehst, reise leicht und bewege dich mit Absicht. Behalte die Morgen für Ausblicke und die Abende für Essen und Musik. Akzeptiere, dass Züge pünktlich fahren, Fremde dir den richtigen Ausgang zeigen und ein Becher Convenience-Store-Kaffee um zwei Uhr morgens perfekt sein kann. Südkorea belohnt Neugier. Steig in seinen Rhythmus – und es zeigt dir, wie ein schnelles Leben sanft sein kann.

 
 
 
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